21

Sagen wir, Ihre Schülerinnen und Schüler arbeiten an Problemen aus einer Fragenbank. Stellen Sie sich vor, neben jeder und jedem sitzt eine Person. Sie beobachten die Schritte, mit denen die Lernenden zur Lösung kommen.

Kämpfen sie mit einem Konzept?

Scheinen sie eine falsche Vorstellung zu haben?

Sind sie vielleicht verärgert und könnten ein wenig Ermutigung gebrauchen?

Der/die TutorIn gibt einen Hinweis, zeigt auf, was ihnen fehlt.

Es kann auch vorkommen, dass eine Schülerin oder ein Schüler das Problem zu leicht findet und sich langweilt. In diesem Fall weist die Tutoratsbegleitung ihr oder ihm ein herausforderndes Problem zu.

Die Tutoratsbegleitung kann sogar Fragen anregen und die Schülerin oder den Schüler dazu bringen, über die eigene Leistung nachzudenken. Und das alles, während sie Sie über die Fortschritte der Lernenden auf dem Laufenden hält.

“Diary of a teaching machine” by [ Ed ] ist lizensiert unter CC BY-NC-SA 2.0. Informationen zu dieser Lizenz finden Sie unter: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/?ref=openverse.

Intelligente Tutorensysteme (ITS) sind so konzipiert, dass sie die Rolle dieser beobachtenden Person nachahmen1. Sie sind eine Art von adaptiven Lernsystemen (ALS), die einzelne Lernende durch jeden Schritt einer Lösung führen. Sie geben bei Bedarf Hinweise und Feedback. Daher eignen sich ITS eher für Fächer wie Mathematik, bei denen die Probleme und Lösungen klar definiert sind2. Neuere ITS nehmen sich jedoch auch anderer Themen an.

Adaptive Systeme und Lernen

Adaptives Lernen findet statt, wenn digitale Tools und Systeme individuelle Lernpfade erstellen — die Abfolge von Aktivitäten, die ausgeführt werden, um einen bestimmten Inhalt oder eine Fähigkeit zu erlernen. Die Lernpfade hängen von den Stärken, Schwächen und dem Lerntempo jeder und jedes Einzelnen ab3, 4.

Die Idee, dass sich eine Maschine an eine Schülerin oder einen Schüler anpasst, geht auf die 1950er Jahre zurück. Mit dem jüngsten Aufkommen der Technologie sind die Möglichkeiten nun endlos. Diese adaptiven Lernsysteme können für verschiedene Zwecke eingesetzt werden —  zum Lösen von Problemen, zum Erlernen von Konzepten und/oder zur Beurteilung einer Schülerin oder eines Schülers.

Viele adaptive Lernsysteme sind inzwischen auf dem Markt. Es gibt auch Autorentools, mit denen Sie ein ALS ohne Programmierkenntnisse erstellen können. Auch wenn die Erstellung eines ALS viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt, muss die Lehrkraft ihren Unterrichtsplan oder -stil nicht ändern, um es in ihren Unterricht einzupassen. Unabhängig von ihrer Art und Form variieren die Technologien zur Erstellung von ALS sehr stark: Nicht alle Systeme sind gleich!

Wenn Sie sich für ein System entscheiden, müssen Sie darauf achten, wie anpassungsfähig es ist, welchen Teil des Lernens es personalisiert und ob es eine individuelle Anpassung durch die Lehrkraft ermöglicht. Darüber hinaus gibt es wichtige praktische Fragen, wie z.B. welche Ausrüstung benötigt wird, was sie kostet und ob die Ausbildung in den Kosten enthalten ist.

Typen von adaptiven Lernsystemen

Intelligente Tutoratssysteme (siehe oben) sind personalisiert und interaktiv. Sie bewerten das Lernen in Echtzeit. Auf der Mikroebene passen sie das Feedback an, wenn eine Schülerin oder ein Schüler ein Problem löst. Auf der Makroebene entscheiden sie, welches Problem als Nächstes gezeigt werden soll — ähnlich wie Youtube, das empfiehlt, welches Video als Nächstes angesehen werden soll. Einfache Tutoratssysteme verwenden Entscheidungsbäume, um Regeln für das Feedback zu erstellen. Andere Systeme gehen über die vorher festgelegten Regeln hinaus und verwenden maschinelles Lernen, um ihr Verhalten anzupassen1.

“Diary of a teaching machine” by [ Ed ] ist lizensiert unter CC BY-NC-SA 2.0. Informationen zu dieser Lizenz finden Sie unter: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/?ref=openverse.

Anpassungsfähige Lernsysteme können über das Tutoring hinausgehen. Explorative Lernsysteme zum Beispiel lassen die Lernenden eine Lernumgebung erkunden und auswählen, was sie interessiert. Spielbasierte Systeme stellen alles in Form eines Spiels dar: Wer ein Level gemeistert hat, kommt weiter.

Unabhängig vom Typ sollten alle ALS die Lernenden unterstützen, bis sie eine Aufgabe selbstständig ausführen können6.  Sie sollten zum Denken anregen und die Entscheidungsfindung unterstützen. Sie sollten auch in der Lage sein, ihre Entscheidungen der Lehrkraft und dem Lernenden zu erklären.

Klicken Sie hier, um spezielle Arten von ITS zu entdecken.

Bei der Auswahl und Anwendung von ALS bzw. bei der Entscheidung, ob ein ALS eingesetzt werden soll oder nicht, empfehlen Fachleute, immer mit dem Lernen zu beginnen.2.  Fragen Sie: Welches Bedürfnis der Lernenden soll angesprochen werden? Welches Werkzeug passt dazu? Wie werden verschiedene Schülerinnen und Schüler individuell unterstützt5 ? Studien zeigen, dass diese Systeme keine signifikante Auswirkung auf das Lernen haben, wenn sie nur für kurze Zeiträume eingesetzt werden. Die Effektivität nimmt zu, wenn sie ein ganzes Schuljahr oder länger eingesetzt werden7 .Wenn Sie sich für den Einsatz eines solchen Systems entscheiden, seien Sie darauf vorbereitet, die Schülerinnen und Schüler bei der Steuerung ihres eigenen Lernens zu unterstützen. Seien Sie geduldig und bereit zu experimentieren, zu scheitern und es erneut zu versuchen2, 5.


1 Groff, J., Personalized Learning : The state of the field and future directions, Center for curriculum redesign, 2017.

2 Holmes, W., Anastopoulou S., Schaumburg, H & Mavrikis, M., Technology-enhanced personalised learning: untangling the evidence, Stuttgart: Robert Bosch Stiftung, 2018.

3 Taylor, D., Yeung, M., Bashet, A.Z., Personalized and Adaptive Learning, Innovative Learning Environments in STEM Higher Education pp 17–34, SpringerBriefs in Statistics, 2021.

4 Becker, S. et al, NMC Horizon Report: 2018 Higher Education Edition, Educause, 2018.

5 Feldstein, M., Hill, P., Personalized Learning: What It Really Is and Why It Really Matters, Educause Review, 2016.

6 Wood, D., Bruner, J., Ross, G., The role of tutoring in problem solving,  The Journal of Child Psychology and Psychiatry, 1976.

7 Alkhatlan, A., Kalita, J.K., Intelligent Tutoring Systems: A Comprehensive Historical Survey with Recent Developments, International Journal of Computer Applications 181(43):1-20, 2019.

License

Icon for the Creative Commons Attribution 4.0 International License

KI für Lehrkräfte : ein offenes Lehrbuch Copyright © 2024 by Colin de la Higuera und Jotsna Iyer is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License, except where otherwise noted.

Share This Book